Donnerstag, 10. Mai 2012

UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM

Foto Martin Behr/SN

„Universal“museum Joanneum – oder: Barrierefreiheit als missliebige Pflichtübung in provinzieller Ausführung


„Universal Design“ ist einer der international gebräuchlichen Ausdrücke für barrierefreie Gestaltung – das Universalmuseum Joanneum ist derzeit von solcher Universalität weit entfernt.
Für Menschen, die nicht eine Rolltreppe benutzen können oder wollen – und das ist eine weitaus größere Personengruppe als „nur“ jene der RollstuhlbenutzerInnen – gibt es als einzige Zugangsmöglichkeit eine langsame, in der Bedienung befremdlich umständliche Hebebühne im Durchgang zur Raubergasse, deren technische Realisierung an sich schon eine Behinderung darstellt. Sofern man/frau diese Bühne überhaupt findet: Derzeit fehlt auf Straßenniveau noch jegliche Beschilderung, wie ja auch das Leitsystem für Sehbehinderte noch auf Realisierung wartet. Dass diese Hebebühne keinen gleichwertigen barrierefreien Zugang darstellt, hat das Referat Barrierefreies Bauen der Stadt Graz schon 2009 festgestellt und entsprechende Auflagen erteilt. Die Landesimmobiliengesellschaft (LIG) ist diesen Auflagen nicht nachgekommen, sodass beim Referat Barrierefreies Bauen das Fazit gezogen wurde: „Die nun realisierte Lösung ist weit von den von uns vorgeschlagenen Lösungsansätzen entfernt.“ Blamabel für eine Stadt, die zu den Unterzeichnern der Barcelona-Erklärung „Die Stadt und die Behinderten“ (1995) gehört. Die LIG beruft sich auf den Denkmalschutz und einen engen, nicht überschreitbaren Kostenrahmen, und bezeichnet die Hubbühne als Kompromisslösung, die technisch und denkmalpflegerisch in Frage gekommen sei. Das Bundesdenkmalamt seinerseits stellt fest, dass es lediglich für den Architektenwettbewerb für das Joanneum die Vorgabe formuliert hätte, dass zwischen den Objekten Neutorgasse und Raubergasse keine Hochbauten geplant werden sollten; bezüglich der konkreten Realisierung eines barrierefreien Zuganges im folgenden Planungsprozess sei das Denkmalamt nicht befasst worden. In einer Korrespondenz spricht der Landeskonservator HR Dr. Christian Brugger dann von „einer von den Fachstellen akzeptierten barrierefreien Erschließung“.

Das ist das Problem: Es genügt offenbar, dass „Fachstellen“ die Barrierefreiheit als gegeben erklären – Betroffene haben sich damit abzufinden. Im Jahr 2012 ... Durch frühzeitiges Einbeziehen von Menschen, die das Universalmuseum Joanneum auch mit Handicaps besuchen und benutzen möchten, hätten wohl die meisten Missstände vermieden werden können – das Kunsthaus Graz ist ein gelungenes Beispiel dafür. Architekt Colin Fournier hat von Anfang an die Kooperation mit mobilitäts¬eingeschränkten Menschen gesucht ... und solche Zusammenarbeit sollte künftig nicht dem Zufall überlassen werden. Die Unterzeichnenden fordern, dass

1. ein Beirat installiert wird, der sich aus Menschen mit Handicaps zusammensetzt und bei allen öffentlichen Planungs- und Gestaltungsvorhaben von der Wettbewerbsphase über die Planung bis zur Begleitung der Realisierung Mitsprache hat;

2. überprüft wird, ob die Stadt Graz angesichts so abgehobenen Umgangs der planenden und ausführenden Stellen mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen („Die Fachstellen haben das als barrierefrei akzeptiert“) ihre Teilnahme an der Barcelona-Erklärung weiterhin aufrecht halten kann;

3. in der Zeit bis zur definitiven Fertigstellung des Universalmuseums eine erhebliche Nachbesserung der Barrierefreiheit erfolgt, wobei die zu realisierenden Maßnahmen von einem w.o. beschriebenen Beirat zu begleiten sind.

Es wäre schade, wenn das Universalmuseum in der internationalen Szene von Kulturinteressierten vor allem auch als Beispiel für den provinziellen Umgang mit den Maximen des Universal Design, wie sie anderswo zu den Selbstverständlichkeiten im öffentlichen Bauen gehören, Bekanntheit erlangte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen